2017 / 9. Mai

Einkauf Schweiz: „Nicht auf Kreuzfahrt, sondern auf Expeditionsreise“


„Der Einkauf wird langfristig nur überleben, wenn er sich in Zeiten der Digitalisierung neu erfindet. Er muss seiner strategischen Rolle gerecht werden. Auch die Verbandsarbeit muss sich den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.“ Nicht nur darin sind sich Rolf Jaus und Adrian Jungo einig. Rolf Jaus geht im Mai nach 15 Jahren als Geschäftsführer des Schweizer Fachverbands für Einkauf und Supply Management procure.ch in Pension. Adrian Jungo, Einkaufschef beim Kommunikationskonzern Swisscom, ist als Verbandspräsident ein Jahr im Amt. Gründe genug für ein Interview über Vergangenheit und Zukunft.

Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus meinem Interview für das Fachmagazin Beschaffung aktuell (Ausgabe Mai 2017).

HIER geht es zum kompletten Interview in der BA

Beschaffung aktuell: Herr Jaus, was hat sich in den vergangenen 15 Jahren Ihrer Amtszeit verändert? 

Adrian Jungo, Rolf Jaus, Sabine Ursel

 Rolf Jaus: Eigentlich nicht so viel, wie sich hätte verändern sollen. Vielfach wird noch immer der Faktor Preis in den Mittelpunkt gehoben. Hier muss sich in Zukunft einiges ändern. Wer mit Lieferanten spricht, muss vor allem auch ein guter Kommunikator und zuweilen Partner sein. Der Einkäufer wird zum Business Relationship Manager, sofern er das will. Dadurch würde seine Position entsprechend gestärkt und auch sichtbarer. Das bleibt allerdings aus meiner Sicht eindeutig noch Vision. Es ist zwingend erforderlich, dass die Unternehmen die notwendigen Ressourcen, also Zeit und Geld, in Personalentwicklung investieren, um Mitarbeiter proaktiv für Weiterbildungen zu motivieren. Auch Leadership-Themen müssen noch mehr nachgefragt werden, als es derzeit der Fall ist.

Beschaffung aktuell: Wo sehen Sie die Schweizer Unternehmen auf dem Weg zu Einkauf 4.0 bzw. Industrie 4.0?

Adrian Jungo: Wir haben 300.000 KMU mit hoher Flexibilität und großer Innovationskraft. Alle größeren Firmen haben die Themen auf der Agenda. Viele haben angefangen zu experimentieren. Schweizer Unternehmen holen immer häufiger Start-ups und Kreative zu sich ins Haus, in der Hoffnung, neue Ideen für den eigenen Erfolg zu entwickeln. Große Unternehmen, auch wir, experimentieren seit Monaten mit neuen Formen der Zusammenarbeit. Swisscom hat 2015 das Projekt „Pirates Hub“ initiiert, wo Start-ups Räumlichkeiten und das Netzwerk der Swisscom-Mitarbeiter nutzen können. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Kunde im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehen muss.

Adrian Jungo (Fotos: Nadia Schweizer)

Rolf Jaus: Wir haben das Thema „4.0“ in einer Umfrage aufgegriffen und mit Österreich und Deutschland verglichen. Beide Länder sind nicht weiter als wir. Aber es gibt andere Länder, deren Industrie teilweise weiter ist als der DACH-Raum, etwa Frankreich. Deshalb haben wir zum Jahreswechsel 2016 einen Arbeitskreis „4.0“ mit zwölf Firmenvertretern etabliert. Rasches Handeln aller Akteure in Wirtschaft, Forschung und Politik ist Pflicht, um den Schweizer Produktionsstandort zu sichern.

Beschaffung aktuell: Sind die Schweizer Unternehmen generell gerüstet? Stichworte: Ausfallrisiken, Verschärfung der Eurokrise, Versorgungsengpässe, Unsicherheit durch Trump, Brexit, Grexit, Türkei …

Rolf Jaus: Die Frankenstärke ist nach wie vor ein Thema, vor allem für viele produzierende KMU, im Besonderen für lokale Kleinbetriebe bzw. Zulieferer mit wenig oder gar keinem Exportanteil. Größere Firmen und Konzerne sind flexibler. Sie können aufgrund der Internationalität mit der Währungssituation besser umgehen. Zusätzlich verunsichern natürlich die politisch nationalen wie internationalen Herausforderungen ebenso wie schärfere Töne und Drohungen zwischen Machtstaaten wie USA, Russland, China und der Türkei. Rahmenbedingungen werden komplexer und damit die Herausforderungen für global aufgestellte Firmen nicht einfacher.

www.beschaffung-aktuell.de

www.procure.ch

www.swisscom.ch

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