2017 / 12. Oktober

Treiber, Trainer, Taktik: Setzt der „der Jupp“ Benchmark für Führungskräfte?


Gastbeitrag Sabine Ursel, Kommunikation I Presse I Netzwerk, Journalistin und Kommunikationsberaterin, Wiesbaden (Fokus Einkauf/Vertrieb) ...

Veranstaltungen tun ja so gut. Man sieht sich. Man redet – auch mal off the record. Man vergleicht. Wo stehen andere? Wo siedelt man sich selbst an? Auf der Bühne wird Best Practice geboten. Aber was ist das tatsächlich „Beste“? Wir wissen auch: Auf dem Weg zu „Best Practice“ gibt es Widerstand, Machtverlust, Wertverlust und eine generelle Unlust zur Änderung. Darüber redet keiner – zumindest nicht gerne. Allenfalls erwähnt man – weil es sich so gehört – den „nicht zu unterschätzenden Faktor Change Management“. Über das Zähe an Prozessen zu referieren ist unsexy. Erfolge und Zahlen, dargestellt in „geschönten“ Präsentationen, sind unser aller Maß.

„Der Einkäufer ist Treiber der Digitalisierung.“ So heißt es zumindest in „seiner“ Community. Auf der EXCHAiNGE, dem Gipfel der Supply Chainer in Frankfurt, war Ende September laut und deutlich zu vernehmen: „Die Supply Chainer sind die Treiber der Digitalisierung“. Der Einkauf als Teil des Supply Chain Managements hätte hier auf seine Rechte, Pflichten und Wertbeiträge verweisen können … das geschah indes nicht, weil rund 200 Supply Chainer weitgehend unter sich waren. Schade, denn die Stimme der Beschaffer als Manager von Schnittstellen hätte zusätzliche interessante Impulse gegeben.

Unterstellen wir einfach, dass sich jeder Fachbereich als „Treiber“ versteht. Dann haben alle zumindest ein gemeinsames Zukunftsthema und hoffentlich keinen internen Wettbewerb. Es bringt nämlich keinem etwas, die eigenen Werte fürs Unternehmen nur in der eigenen Community gebetsmühlenartig zu wiederholen. Digitalisierung fordert alle. Und sie erfordert neue Zusammenarbeitsformen. Schnittstellen müssen bewertet, neu justiert und in „disruptiven“ Runden mit wechselnder fachlicher Besetzung gemanagt werden.

Ausgerechnet in einer Zeit, wo konstruktives Auseinandersetzen und Vorbildfunktion von echten Leadern verloren gegangen zu sein scheint, suchen wir nun händeringend nach Charakterköpfen. Die sich was trauen, die Verantwortung bewusst wahrnehmen, die Fehler nicht verteufeln, sondern daraus eine wahrnehmbare Kultur basteln, die zugleich loslassen und delegieren können, die Impulse statt Befehle geben und die andere befähigen statt sie auszubremsen. Es gibt Charakterköpfe … ganz sicher. Aber sie passen nicht immer zur Organisation.

Exkurs Fußball: Carlo Ancelotti hat als Spieler und Trainer zahlreiche nationale und internationale Titel gewonnen. Als der FC Bayern den prominenten Italiener als Trainer holte, stand für viele fest: Mit ihm kommt der Champions-League-Pokal endlich wieder nach Deutschland. Wir wissen heute: Ancelotti hat es nicht verstanden, sein Team besser zu machen – im Gegenteil. Verdiente Spieler verloren schnell die Motivation und so mancher am Ende gar den Stammplatz. Die Spielidee des Trainers kam nicht an. Die Art der Führung passte nicht zum Klub und zur Mannschaft. Die Schnittstellen waren nicht ausreichend harmonisiert, um im Bild zu bleiben. Dass der FC Bayern nun erst mal auf den bewährten Kämpen Jupp Heynckes („der Jupp“) setzt anstatt auf den „schwierigen Charakter“ Thomas Tuchel, macht deutlich, dass es auf mehr ankommt als auf taktisches Verständnis. Der FC Bayern kann in einem ausartenden System längst nicht mehr mit neureichen Milliarden-Klubs wie Paris St. Germain, Chelsea oder Manchester City mithalten. Aufgabe ist also, über „die Kultur“ für Inspiration, Motivation und Spielfreude zu sorgen – und somit für Erfolge, die über Meisterschaft und DFB-Pokalsiege hinaus reichen. Auf dem „dem Jupp“ ruhen viele Augen und Hoffnungen (übrigens auch meine als Mitglied von Werder Bremen): Schafft es der mittlerweile 72-Jährige (Achtung: Alter spielt in diesem Fall endlich mal keine Rolle!) ein Team zu schmieden, das international wieder endspieltauglich ist? Das wäre ein echter Benchmark für Führungskräfte nicht nur im bezahlten Fußball.

In Zeiten der (ausartenden?) Digitalisierung lässt sich auch in der realen Wirtschaft der Turbo nur durch „die richtige Kultur“ zünden. Dazu gehört eine Geschäftsleitung, die glaubhaft zulässt, fördert und fordert. Die sich einbringt und messen lässt. Allseits geforderte Geschäftsmodelle – also Erfolge von morgen – gelingen uns nur, wenn alle Fachabteilungen an Ideenfindung beteiligt sind. Projektmanagement war noch nie leicht, aber in Zukunft wird es darauf ankommen, Teams so zu besetzen (besser: sich zusammenfinden zu lassen), dass transparent Wissen geteilt statt gehortet wird.

Die EXCHAiNGE hat auch in diesem Jahr viele neue Impulse gesetzt, und für 2018 gibt es bereits spannende Ideen, um die Teilnehmer zu vernetzen. Vielleicht schaffen wir es sogar, ein neues Veranstaltungsformat zu etablieren, das Entwicklung und Produktion, Einkauf, Logistik und SCM, Personal, Marketing und Vertrieb zum Thema „Chancen, Risiken und Anforderungen in Sachen Digitalisierung“ versammelt? Ein solcher Gipfel führt freilich raus aus der Komfortzone – und … ja … er muss sich für den Veranstalter rechnen. Vielleicht zieht ja Jupp Heynckes als Gastredner. Sein Vertrag gilt zunächst bis Saisonende.

 

Save the Date:
Die Fachkonferenz „EXCHAiNGE – The Supply Chainers’ Conference 2018“ findet am 25. und 26. September 2018 in Frankfurt am Main statt.

Den Rückblick zur EXCHAiNGE 2017 und zu den Session-Themen „Kultur zur digitalen Transformation“, „Nachhaltiges Wirtschaften“, „Open Innovation in der Supply Chain“, „Digitale Souveränität“, „Resilienz vs. Effizienz“ und „Supply Chain Best Practices“ sowie Bilder und Video-Interviews mit namhaften Top-Experten aus Industrie, Handel und Wissenschaft finden Sie unter www.exchainge.de

Abdruck der EUROEXPO-Blogbeiträge ist honorarfrei, Text- und Bildmaterial stehen auf der EXCHAiNGE-Blogseite: www.exchainge.de

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